Warum LV-Kunden die Zeche zahlen:


Warum LV-Kunden die Zeche zahlen:

Wir zitieren.

Lebensversicherer:
Warum Kunden bei Pleiten die Zeche zahlen müssen
BR | 18.01.2005 | 21.55

Beschlossen und seit Ende 2004 in Kraft – ein Gesetz, das die Aufsicht der Versicherungsunternehmen neu regelt. Kernpunkt: Ein Sicherungsfonds. Er soll im Fall einer Pleite von Lebensversicherern die Verträge weiterführen. Ein Gesetz, ursprünglich geplant zum Schutz der Kunden, kommt schließlich ganz anders als gedacht, der Kunde hat das Nachsehen. Das Gesetz über diesen sogenannten Sicherungsfonds wirkt wie ein unausgereifter Schnellschuss. Seit 21. Dezember 2004 ist es in Kraft, doch die dazugehörigen Verordnungen fehlen, werden frühestens in einem halben Jahr nachgereicht. Für einen Rechtsstaat im Grunde nicht erträglich. Der Sicherungsfonds – gut gedacht, schlecht gemacht, wie kam es dazu?

Die Vorgeschichte:
Juni 2003, Deutschland ist schockiert, erlebt die erste Pleite einer Lebensversicherung. Die Mannheimer Leben muss aufgeben. Was mit den rund 345.000 Policen passiert, ist zunächst ungewiss. Kurz zuvor hatten die Deutschen Lebensversicherer hastig die Auffanggesellschaft Protektor gegründet. Die gesamte Branche hatte an der Börse viel Geld verloren und war in Schieflage geraten, so kam es auch zur ersten Pleite. Protektor soll nun einspringen und die Verträge der Mannheimer weiterführen. Doch in der Praxis kommt es zu erheblichen Schwierigkeiten, der Übertrag des Bestandes dauert länger als ein viertel Jahr.

Reaktion:
Bundesaufsichtsamt und Regierung erkennen die Probleme, wollen nun die Auffanggesellschaft verpflichtend gesetzlich regeln. Im April 2004 legt das Bundesfinanzministerium dazu einen Gesetzesentwurf vor. Die Unternehmen werden in die Pflicht genommen. Aus ihrem Eigenkapital sollen sie Beiträge einzahlen in einen gesetzlich geregelten Sicherungsfonds. Dieser füllt sich und steht im Ernstfall zur Verfügung. Reicht der Fonds dann nicht aus, sollen die Unternehmen unbegrenzt nachschießen. Volle Sicherheit für die Versicherten.

Die Branche wehrt sich:
Der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft GDV wehrt sich heftig gegen den Entwurf, lehnt laufende Beitragszahlungen ab. Er will sich nur im Bedarfsfall zu Leistungen verpflichten.

Entscheidung im Finanzausschuss:
Nach langem hin und her landet der Gesetzesentwurf schließlich im Finanzausschuss des deutschen Bundestages. Hier nimmt der Entwurf die entscheidende Wende. In der Beschlussempfehlung an den Bundesrat finden sich geänderte oder neu eingefügte Passagen, die meisten zu Lasten der Verbraucher. In vielen Punkten setzt sich die Versicherungswirtschaft mit ihren Forderungen durch. Sie liefert in ihrer Stellungnahme fertig ausformulierte Gesetzestexte, die teilweise sogar unverändert in die Beschlussempfehlung übernommen und so als Gesetz verabschiedet werden. Grandiose Lobbyarbeit.

Wolfgang Scholl, Verbraucherzentrale Bundesverband: „Finanzausschuss und Versicherungswirtschaft sind traditionell relativ eng verflochten. Eine ganze Reihe von Ausschussmitgliedern hat Jobs in der Versicherungswirtschaft in Beiräten, in Aufsichtsräten. Das alles ist bekannt und hat sich nicht geändert.“ Sogar die Vorsitzende des Finanzausschusses Christine Scheel hatte noch im Jahre 2003 Beiratsposten bei den Versicherungen Barmenia und Hamburg Mannheimer und war im Aufsichtsrat der Nürnberger Versicherung. Durch alle Parteien hindurch haben 7 Mitglieder und Stellvertreter Posten in Versicherungsunternehmen.

Das Gesetz:
Schließlich kam ein Gesetz zu Stande – zu Gunsten der Branche, zu Lasten der Verbraucher. 500 Millionen Euro zahlen die Unternehmen in den Sicherungsfonds. Im Krisenfall bei Bedarf noch einmal weitere 500 Millionen, insgesamt also maximal 1 Milliarde Euro. Reicht das nicht, sind die Kunden dran. 5 Prozent des Sparkapitals der Versicherten, also das was sie einbezahlt haben, müssen aufgegeben werden, um einen Pleitekandidaten zu sanieren.

Dr. Marco Metzler, Fitch-Ratings, London: „Für die Sanierung eines mittleren oder großen Lebensversicherers reichen rund 1 Milliarde Euro sicherlich nicht aus. Das sieht man daran, dass die kleine Lebensversicherung Mannheimer mit einem Marktanteil von rund 0,6 Prozent bis heute rund 300 Millionen Euro gekostet hat, rund weitere 200 Millionen sind durchaus denkbar, da der Bestand noch nicht verkauft ist.“

Auf Druck der Branche wird im Absatz „Finanzierung“ ein neuer Passus eingefügt. Wenn man den Paragraphendschungel übersetzt, heißt das nichts anderes, als dass der Fonds aus den Kundengeldern finanziert werden kann. Damit werden keine Beiträge einbezahlt, sondern nur Geldanlagen verschoben. Im Ernstfall sind dann nicht Unternehmensgelder, sondern Kundengelder verbraucht.

Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski, Lehrstuhl Wirtschaftsrecht, Humboldt Universität, Berlin: „Die Finanzierung des Sicherungsfonds ist aus meiner Sicht sehr problematisch, ich würde sogar sagen verfassungswidrig, weil hier Geld aus dem Deckungsstock, aus dem Geld der Versicherten, also ihr Geld genommen wird und in eine Anlage gegeben wird, die keine Überschüsse produzieren kann. Kann sie nicht! Weil man vor der Krise kein Geld verdient und nach der Krise braucht man Geld. Mit anderen Worten, hier wird Geld aus dem Deckungsstock der Versicherten genommen, sie bezahlen den Sicherungsfonds, aber sie wissen es nicht, es bleibt untransparent, was sie da tun, und das halte ich für verfassungswidrig.“

Auch im Paragraph 125 hat sich die Branche durchgesetzt. Hier wird für den Pleitefall die Möglichkeit einer Kündigungssperre hinzugefügt. Die Kunden kommen dann nicht an ihre Police und damit nicht an ihr Geld. Eine bittere Pille, denn die Schieflage vieler Versicherer ist noch nicht gebannt.

Dr. Marco Metzler, Fitch-Ratings, London: „Die Lage der deutschen Lebensversicherer hat sich nicht substanziell geändert. Die niedrigen Zinsen, die derzeit vorherrschen, machen es schwierig, die Erträge zu erwirtschaften, die man den Kunden später gutschreibt. Daher können wir weitere Fälle für den Sicherungsfonds nicht ausschließen.“

Fazit:
Der Kunde bezahlt den neuen Sicherungsfonds und trägt damit auch das Risiko. Ein Gesetz, dass den Versicherten noch stark zu schaffen machen könnte.

Bericht: Reinhard Weber
Stand: Mitte Januar 2005

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Dieser Text gibt den Fernseh-Beitrag vom 18.01.2005 wieder. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.